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Eine runde Sache

Der Bistrotisch wurde vom simplen Möbelstück zum Klassiker des urbanen Mobiliars. Grund genug, sich seine Symbolkraft näher anzusehen.

An warmen Herbsttagen kann man noch einmal im Freien Platz nehmen und in der Sonne das besondere Flair von Straßencafés erleben, speziell in belebter Stadtatmosphäre. Menschen sitzen an kleinen Tischen, nippen an ihrem Kaffee oder Wein, beobachten das Treiben, vertiefen sich in Gespräche oder in ihre Lektüre. In dieser Szenerie wird ein scheinbar unscheinbares Möbelstück zum stillen Gefährten: der Bistrotisch. Mit seinen Wurzeln in der Pariser Bistrokultur ist er Interieur, Ablagefläche und Bühne für Verweilende und Vorbeiziehende. An ihm sitzend, tritt man in einen indirekten Dialog mit den Flaneuren. In den engen Gassen und auf den lebhaften Boulevards der französischen Hauptstadt entstanden im 19. Jahrhundert die ersten Bistros, einfache Gaststätten, in denen sich die unterschiedlichsten Menschen, vom Arbeiter bis zum Künstler, begegneten. Die Möbel dieser Orte mussten robust und funktional sein – Eigenschaften, die ein Mittelfuß samt Platte ideal vereinte. Mit seiner schlanken Silhouette war er nicht nur kompakt, sondern auch flexibel einsetzbar. Er bot ausreichend Fläche für Gläser, Karaffen und kleine Speisen, konnte aber bei Bedarf schnell zur Seite gerückt werden. Mit der Etablierung von Cafés als sozialer Treffpunkt eroberte der Bistrotisch zunehmend auch andere Länder und fand in Städten wie Berlin, London, New York und besonders in Wien seinen festen Platz, wo er zusammen mit dem berühmten Thonet-Stuhl eine Ménage-à-deux einging und hier zum prägenden Element der traditionellen Kaffeehäuser wurde.

Der vollständige Artikel erschien online und in der Print-Ausgabe: die Presse, Schaufenster, 31. 10. 2024.

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design, lifestyle

Garten schön

„Schön ist mein Garten mit den goldnen Bäumen, …“ – Hugo von Hofmannsthal träumt von ihm, genau wie wir. Der persönliche Traumgarten ist eine Oase der Freude, der Ruhe und der Wünsche, für den es zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten gibt.

„In jedem von uns liegt tief im Innern ein Garten.“ Nach Julie Moir Messervy ist die Sehnsucht groß, diesen imaginären Raum auch in der Realität auszudrücken. Die Autorin und Landschaftsplanerin beschreibt in „Beseelte Gärten“, wie ganz individuelle Vorstellungen, Wünsche und Erinnerungen zu einem persönlichen Paradies werden können. Und dieser Traum kann heute schneller denn je Wirklichkeit werden.

Der vollständige Artikel erschien im Design Deluxe Magazin.

Foto von Murat Demircan auf Unsplash

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Haus R_Albstadt_Dietrich Untertrifaller Architekten_Foto David Matthiessen
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Ein Familien-Haus

Haus R, Albstadt_Dietrich I Untertrifaller Architekten_Foto David Matthiessen
Haus R, Albstadt
Dietrich I Untertrifaller Architekten
Fotos © David Matthiessen

Ist neu bauen noch zeitgemäß, besonders in Bezug auf Einfamilienhäuser? Die Ansprüche an ein Wohnhaus haben sich jedenfalls verändert. Ressourcenschonung und nachhaltige Gedanken im Hinblick auf (Neu-)Bauten sind das Thema – ebenso wie architektonischer Mut.

„Unser Alltag wird zu einem wesentlichen Teil durch die Architektur bestimmt, die uns Tag für Tag umgibt“, schreibt Jürgen Tietz 1998 in „Geschichte der Architektur des 20. Jahrhunderts“. Eine zeitlose Aussage, deren Folgen wir bewusst und unbewusst erleben: Beton, grau, gewaltig, groß, das sind die Bauwerke der 30er- bis 80er-Jahre. Glas und Stahl pflastern diese Moderne, Dekonstruktion und „überbaute“ Repräsentationsarchitektur begleiten sie. Es folgte der Ziegelhype, und heute ist Holz gefragt. Der nachwachsende Baustoff entspricht den neuen, nachhaltigen Maximen der zeitgenössischen Architektur, ebenso Lehm, Stroh und Flachs. Gedämmt wird zum Teil schon mit Schafwolle, solarenergiebetriebene Heizungs- und Stromsysteme sind die regenerativen Impulse und „klimagerechte Architektur“ die Rückbesinnung von Hightech zu Lowtech, speziell, was das Raumklima betrifft. Oona Horx-Strathern vom Zukunftsinstitut fasst dies unter dem Terminus „Indoor Air Care“ zusammen, wobei hier auch Grundsätze des „Biophilic Design“ zur Anwendung kommen, etwa luftreinigende Pflanzen, natürliche Baumaterialien wie Holz und Lehm, Frischluftzufuhr und natürliches Licht. Denn „künftig gilt es nicht mehr, nur schadstoffarm zu bauen, sondern eine wohngesunde Umgebung zu schaffen“.

Der vollständige Artikel erschien in der Print-Ausgabe: assets Magazin, November 2021.

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Natur im Wohnraum
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Wabi Sabi – unvollkommener Purismus

Die Leere genießen, sich auf das Wesentliche besinnen und das Unperfekte als schön erklären – so wird die japanische Philosophie wohnbar.

In der japanischen Kultur und Philosophie hat die Wahrnehmung von Schönheit und Ästhetik in der Welt eine lange Tradition. Man könnte auch von einer „Ideologie der Schönheit“ sprechen, in der jede Substanz, jeder Anteil – physisch wie geistig – und jedes Wesen in seiner natürlichsten und ursprünglichsten Form anerkannt wird. Eine Sichtweise, die sich vom westlichen Konzept der Perfektion und einer nach künstlicher Schönheit strebenden Gesellschaft unterscheidet.

Photo by Daniil Silantev on Unsplash

Aber vielleicht ist es genau deshalb das Richtige für diese Zeit: Bei Wabi Sabi geht es um das Natürliche und die Akzeptanz von kleinen Fehlern, dem Unperfekten, Makeln und Altersspuren. Eine Haltung, die auch in Texten, der Kunst, Architektur und im (Wohn-)Design integriert werden kann.

Hier geht es weiter: Was bedeutet Wabi Sabi und wie gestaltbar ist die philosophische Haltung?

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Knize trifft Loos

Designtraditionen in Wien

Skizzieren, messen, zeichnen, umzeichnen, noch einmal messen. Pläne erstellen und fertigen. Erneut nachmessen, korrigieren und wieder: fertigen, fertigen, fertigen. Millimetergenaues Arbeiten, betrachten und erneut: fertigen.

Der Arbeitsprozess gleicht dem eines Architekten, und doch ist es der eines Schneiders. Eines Schneiders, der sein Handwerk mit Bedacht und voller Hingabe lebt. Rudolf Niedersüß ist Meister in dritter Generation und führt den Herrenausstatter Knize, ehemaliger K&K Hoflieferant, am Wiener Graben 13. 1858 wurde das Geschäft von Josef Knize gegründet, Niedersüß übernahm es 1976. Auch wenn man hier keine Baupläne bekommt, kommen ArchitekturliebhaberInnen auch in diesem Bereich auf ihre Kosten. Und der Grund ist Adolf Loos.

Außen und Innen

Die Einrichtung und Ausstattung, wie auch der dezente, edle Eingangsbereich aus schwarzem, schwedischem Granit mit Goldlettern trägt die Idee von Handwerk und durchdachter Gestaltung. Sie entstammt der Feder des Verfechters des Ornamentlosen, Diskreten und stets dem Modernen zugewandten Loos. Zwischen 1910 und 1913 verwirklichte er hier seine Idee von einem zeitgemäßen, modernen und funktionalen Geschäft.

Knize – erste Adresse in Sachen Herrenausstattung – ist heute ein Stück lebende Kunst- und Kulturgeschichte inmitten des 21. Jahrhunderts in Wien. Weniger die Fakten führen zu dem Schluss, als vielmehr die Atmosphäre und kleinen Details im Geschäft selbst. Es ist der Geruch von feinem Staub und alter Möbelpolitur, die knarrenden Holzböden und schiefen, der Schwerkraft nachgebenden, Türrahmen – Hunderte von Geschichten könnten sie uns erzählen. Es sind die Salonsessel aus grünem Samt, die Schlüsselgriffe mit charmanten Gebrauchsspuren, schmucklos gefräste Holztäfelungen – vom vielen Staubwischen glänzend poliert – und nicht zu vergessen, der leicht abgetretene, grasgrüne Teppichboden. Sie alle sind Zeugen zahlreicher wohlhabender KundInnen, die das Vertrauen in die Meisterhände legten, um in wohlgemerkt „ihrer Gesellschaft“ korrekt angezogen zu sein. Niemals auffallen und sich stets mit feinstem, edelsten Zwirn bedecken, keine Borte und noch weniger Samt und Seide lautet heute wie damals das Credo. Die Schneiderkunst war Loos so wichtig wie der Raum, den er für sie baute.

Form und Material

Knize vereint in Loos’ Sinn die Architektur und die gehobene Schneiderei. Denn in ihren Grundhaltungen gleichen sich beide mehr, als man vermuten möchte. Die Arbeit mit Form und Material und die pragmatische Suche, ein zeitgemäßes und funktionales Ergebnis zu schaffen, formt in beiden Disziplinen einen Körper, eine Hülle, für den Menschen. Loos und Knize kommunizieren und fordern eine Haltung nach schlichten Werten: Sei dir immer bewusst, was du hast und kannst, sei selbstsicher, aber übe dich in unauffälliger und zurückhaltender Manier. „Furcht vor der Öffentlichkeit“ würde Loos dazu sagen.

Knize und Brioni

Qualität hat seinen Preis. Und fordert Zeit. Die ausgewählte Stammkundenschar bleibt aus diesem Grund weiterhin ausgewählt, denn die Kartei vermehrt sich, zum Leidwesen zahlreicher Anfragen, nicht. Gehört man damit nicht zum Kreis der „betuchten“ Kunden für Maßanzüge, für den steht eine Auswahl an Anzugmodellen bereit, welche eigens für Knize in Italien gefertigt und als Prêt-à-Porter Mode in Wien verkauft wird. Kenner des guten Zwirns finden etwa Marken wie Brioni oder Kiton darunter. „Es wird bewusst gewählt“, heißt es, denn verkauft wird gewiss nicht jede „Stangenware“. Wohl wahr, trägt doch James Bond auch Brioni-Anzüge. Mit ruhigem Gewissen kann man somit behaupten, dass Knize die Lizenz zum Maßnehmen besitzt. Und Loos? Auch er hätte noch seine Freude daran.

Literatur: Adolf Loos, Die Herrenmode, Wien 1898.
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